Was ist HSN?
H-S-N steht für “Helfen in seelischer Not” und ist der Name unseres Projektes. Wir wollen in unseren Erste-Hilfe-Kursen konkrete Handlungsstrategien vermitteln, damit ihr in Krisensituationen sicherer reagieren könnt. Also zum Beispiel:
Was kann ich tun, wenn mein Bruder eine Panikattacke hat?
Oder wie gehe ich damit um, wenn die Nachbarin immer wieder sagt, dass sie am liebsten gar nicht mehr leben möchte…?
Denn wir sind der Meinung:
Jede:r kann Ersthelfer:in sein!
Jede:r kann Ersthelfer:in sein. Das bedeutet für uns:
- Wir wollen keine Therapeut:innen ausbilden. Daher findet ihr in unseren Schulungen nur sehr wenig theoretisches diagnostisches (Krankheits-) Wissen. Wir wollen euch in unseren Schulungen lieber praktische Vorgehensweisen in Bezug auf Hinschauen & Handeln vermitteln. Niedrigschwellig und praxisnah sind unsere Grundsätze.
- Wir sind davon überzeugt, dass jede:r schon eine Menge Kompetenzen und Fähigkeiten mitbringt. Daher dauern unsere Kurse meist nur 1,5 – 2 Stunden.
- Fast jede:r von uns hat in seinem Alltag schon einmal eine seelische Notsituation miterlebt oder war vielleicht sogar selbst betroffen. Unsere Kurse wollen eure Erfahrungen und eure Themen aufgreifen. Daher ist jeder Kurs ein bisschen anders, denn wir wollen keinen Standard-Vortrag halten. Wir wollen mit euch gemeinsam individuell abgestimmt an den Themen arbeiten, die für euch wichtig sind.
- Und es heißt auch: Jede:r von uns kann auch ganz unerwartet Ersthelfer:in werden müssen. Nämlich dann, wenn wir in die Situation kommen, dass eine Person in unserem Umfeld dringend Hilfe in einer seelischen Krise benötigt. Damit ihr euer Wissen aus der Schulung immer wieder auffrischen könnt, findet ihr auf unserer Website bald Videos aus der Schulung sowie weiteres Vertiefungswissen. Außerdem könnt ihr euch in unserem geschützten Log-In-Bereich mit anderen austauschen oder weitere Online-Kurse belegen.
Unsere Schwerpunkte sind:
- Erste-Hilfe-Kurse für seelische Notsituationen (Ersthelfer:innen-Schulungen)
- Anleiter:innen-Ausbildungen
- Begleitende Forschung und Evaluation dessen
Unser Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert und durch Forscher:innen der Uniklinik Regensburg begleitet. Mehr dazu findet ihr in den Bereichen Hintergrund & Ziele oder Forschung.
Seelische Not?
Seelische Krisen sind universell und begegnen uns tagtäglich, zum Beispiel wenn wir erleben, dass:
- ein kleines Kind weinend im Freizeitpark seine Eltern sucht
- eine Schülerin stark blutende Schnitte an den Unterarmen hat
- ein Mitschüler täglich alleine Alkohol trinkt und scheinbar keine Kontrolle mehr über den Konsum hat
- ein guter Freund sich immer mehr zurückzieht und immer trauriger wirkt
- die Nachbarin ankündigt, dass „das hier alles keinen Sinn mehr hat“ und sie sich das Leben nehmen möchte
- es in der Wohnung gegenüber immer wieder lautstarke Streits gibt und die Frau wiederkehrend ein blaues Auge hat
- unsere Kollegin immer weniger isst, nachdenklich ist und bedrückt wirkt
- ein sichtlich verwirrter Mann auf der Straße herumläuft und davon spricht, mit Napoleon in Kontakt zu stehen
Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Was reagiert ihr? Fühlt ihr euch dabei sicher?
Ziele
- psychische Handlungskompetenzen in der Bevölkerung steigern, um auf psychische Akutsituationen im direkten Umfeld adäquat reagieren zu können
- Berührungsängste und mentale Hemmschwellen bezogen auf Hilfeverhalten minimieren
- Grundresilienz der Allgemeinheit fördern
- Aufklärung und Entstigmatisierung des Themas „Psychische Gesundheit“
- Prävention (vor allem im Bereich der Primär- sowie Sekundärprävention)
- Förderung von Mental Health Awareness in der breiten Bevölkerung
Hintergrund
Das Thema Psychische Gesundheit nimmt in ihrer Bedeutung immer weiter zu. So konnten wir z.B. im Rahmen der Pandemie einen deutlichen Anstieg psychischer Erkrankungen bei -nicht nur, aber ganz besonders- vulnerablen Gruppen wie Kindern und Jugendlichen verzeichnen. Gleichzeitig beträgt die Wartezeit für Therapieplätze oftmals mehrere Monate. Deswegen kommt dem Handeln von Mitmenschen und sozialen Bezugspersonen eine besondere Bedeutung zu, z.B. um seelische Nöte schneller zu erkennen, Wartezeiten unterstützend zu überbrücken und Chronifizierungen zu vermeiden.
Während diesbezügliche Ersthelfer:innenprogramme vor allem im anglophonen Raum bereits fester Bestandteil der etablierten Versorgungsstruktur sind, sind derartige Angebote in Deutschland noch rar. Vorhandene Programme sind teuer und schwer umzusetzen. Ganz besonders im ländlichen Raum sind sie so gut wie gar nicht existent. Mit zielgruppenspezifischen und niedrigschwelligen Seminaren und Kursen im Rahmen des Projekts wollen wir essenziell zum Schließen dieser brisanten Versorgungslücke beitragen.
Wir wollen zudem durch die Popularisierung der Thematik und systematischen Aufklärung in unseren Kursen einen Beitrag zur Awareness-Förderung und Entstigmatisierung psychischer Probleme und Erkrankungen leisten. Damit soll auch langfristig die Mental Health Literacy (also im weitesten Sinne: psychische Gesundheitskompetenz) und Grundresilienz in der Bevölkerung gestärkt werden.
Ganz grundlegend geht es für uns auch darum, Menschen für Notsituationen ihrer Mitmenschen zu sensibilisieren und durch die Steigerung von Handlungskompetenzen Hilfeverhalten zu fördern. Aufeinander zu schauen, Zivilcourage zu zeigen und Unterstützung zu leisten sind nur einige sozialethische Bereiche, die wir mit dieser Thematik streifen und die für die humanen und demokratischen Werte unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Viele Menschen sind bereits aufmerksam und möchten gerne helfen, aber wissen nicht wie. Diesen Menschen möchten wir gerne einfache, aber wissenschaftlich fundierte und effektive Handlungsstrategien an die Hand geben.
Der Schwerpunkt liegt bei uns also nicht direkt auf den Betroffenen oder auf der Ausbildung spezifisch ausgebildeten Fachpersonals. Vielmehr verfolgen wir einen niedrigschwelligen peer-group-basierten Ansatz für jeden Menschen.
Das Projekt wird an der Uniklinik Regensburg am Bezirksklinikum von Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen und Sozialarbeiter:innen in Zusammenarbeit mit Betroffenen, Angehörigen und anderen Erfahrungsexpert:innen stetig weiterentwickelt. Dadurch soll ein lebendiges, dynamisches und vor allem praxisnahes Konzept entstehen, das sich individuell an die Bedürfnisse und Lebenswelten der jeweiligen Schulungsgruppe anpassen lässt.
Außerdem wollen wir unser Wissen gerne weitergeben. Deshalb wollen wir Menschen aus der Bevölkerung -auch ohne psychologischen Berufshintergrund- zu Anleiter:innen ausbilden, die dann ihrerseits andere Menschen in psychischer Erster Hilfe schulen. Dazu findet ihr hier noch mehr Informationen.
Forschung
Unser Schulungsprogramm wird durch ein Forschungsprojekt an der Universitätsklinik Regensburg (Lehrstuhl für Psychiatrie & Psychotherapie) begleitet. Das Ziel dabei ist, die Wirksamkeit des Schulungsprogramms zu untersuchen. Daher bitten wir euch dringend, unsere Fragebögen auszufüllen, nachdem ihr eine Erste-Hilfe-Schulung bei uns absolviert habt und auch unsere Follow-Up-Anfrage, die ihr einige Monate später per Mail bekommt, zu beantworten. Damit helft ihr, dass unser Programm immer besser werden kann.
Bei weiteren Fragen zu unserem Forschungsvorhaben meldet euch gerne bei unserer Mitarbeiterin Marina Scheele oder schaut bei den Veröffentlichungen des Lehrstuhls für Psychiatrie & Psychotherapie am UKR oder der medbo Regensburg vorbei.
Schulungsprogramm
Im Mittelpunkt unserer Arbeit ist ein Ersthelfer:innen-Schulungsprogramm.
- basierend auf dem Blended Learning Prinzip, d.h. einer Kombination aus Präsenz- und digitalen Lerninhalten
- wir kommen direkt zu euch in eure Klassen / Vereine / Abteilungen etc. und ihr bekommt von uns eine Präsenzschulung
- zusätzlich bekommt jede:r Teilnehmer:in einen Zugang zur Online-Lernplattform, um dort weitere Inhalte zu nutzen, das Wissen zu vertiefen oder sich mit anderen auszutauschen
Unser Schulungsprogramm basiert auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen hinsichtlich Hilfeverhalten, Krisenintervention, Gesprächsführungstechniken sowie psychischen Erkrankungen und Notsituationen. Auf dieser Basis arbeiten wir im Austausch mit Menschen aus der Praxis (Fachpersonal, Betroffene, Angehörige etc.) an einem einfach umzusetzenden, aber wirkungsvollen Konzept zur Ersten Hilfe in seelischen Notsituationen. Unser Projekt wird stets weiterentwickelt, über Feedback sind wir daher jederzeit dankbar.
Außerdem unterstützt ihr unser Programm sehr, wenn ihr nach einer Erste-Hilfe-Schulung unsere Evaluationsbögen ausfüllt. So können wir überprüfen, wie wirkungsvoll unser Programm ist.